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Die Schneegans von Burg Friedewald

Online-Beiträge zur Geschichte und Archäologie 1 (2014)

Die Wasserburg Friedewald wurde im 13. Jahrhundert als Nachfolgebau der Drygenburg, bei der es sich vermutlich um einen befestigten Bergfried handelte, erbaut. Die Ruine der Drygenburg ist noch heute auf dem Dreienberg zu finden. Eine strategische Bedeutung erwuchs der Wasserburg aus ihrer Lage an dem Kreuzungspunkt zweier mittelalterlichen Heer- und Fernhandelsstraßen von Nürnberg nach Bremen und von Frankfurt nach Leipzig, die den Landrücken zwischen Fulda und Werra im Einzugsbereich der Burg kreuzten. Aufgrund dieser Voraussetzungen, und um ihre Position gegenüber der Abtei Hersfeld und dem Bistum Fulda zu verbessern, dehnten die hessischen Landgrafen ihren Einfluss auf die Burg und somit auch auf die Region zu Ungunsten der Hersfelder Abtei aus. Die Landgrafen beanspruchten das Marktrecht und die Gerichtsbarkeit für die Burg, den Ort und das Amt Friedewald.
Die erste urkundliche Erwähnung der Burg stammt aus dem Jahre 1302. In ihr belehnte der erste hessische Landgraf Heinrich I. seinen Lehnsmann Simon von Landeck mit der Burg nebst einem Hof und einem Garten. Dies war die Keimzelle der späteren Ortschaft Friedewald. 1317 erwarben die Ritter Albert von Buchenau, Friedrich von Rumerode und Albert von Romrod die Hälfte der Burg. Das Amt Friedewald wurde 1372 und das Dorf Friedewald 1430 erstmals urkundlich genannt, ab 1432 wurden die Amtsleute von Friedewald als Vögte bezeichnet. Im Jahre 1476 beauftragte Landgraf Heinrich III., der laut einer Urkunde ab 1485 alleiniger Herr der Burg war, seinen Hofbaumeister Hans Jacob von Ettlingen mit dem Neubau der Burganlage. Gleichzeitig ernannte er ihn zum Amtsvogt von Friedewald. Hans Jacob von Ettlingen erbaute neben der Burg Friedewald in der näheren Umgebung noch die Burgen Herzberg, Hauneck und Ziegenhain.
In den folgenden Jahren wurde die hochmittelalterliche Burg, von der außer einigen Fundamenten keine Baubefunde mehr vorliegen, fast vollständig niedergelegt und durch einen Neubau, der spätgotische Baumerkmale aufweist, ersetzt. Die so entstandene, allseitig von wassergefüllten Gräben umgebene Burg mit fast quadratischem Grundriss, vier runden Türmen sowie der stark befestigten Toranlage entsprach den militärischen Gegebenheiten des ausgehenden Mittelalters. Somit ist die Wasserburg Friedewald ein Zeugnis des Festungsbaus im ausgehenden 15. Jahrhundert.
Spätestens 1489 dürften die Bauarbeiten weitgehend abgeschlossen worden sein. In den folgenden Jahrzehnten hielten sich die hessischen Landgrafen, angelockt durch den reichen Wildbestand des Seulingswaldes, immer wieder in der Burg auf. Insbesondere zahlreiche Schneegansbestände, die über Jahrhunderte hinweg in der Ortschaft zu beobachten waren, haben bis heute regionale Traditionen geprägt (Schneegans-Kirmes, Schneegans-Olympiade u.a.). Im Ort geborene Mädchen nennen sich heute spaßig Friedewalder Schneegänse.

Landgraf Philipp der Großmütige traf sich 1530 als Vorbereitung zum Bündnis von Schmalkalden mit dem sächsischen Kurfürsten Johann dem Beständigen in Friedewald. Sein Sohn Landgraf Wilhelm IV. verhandelte 1551/52 in der Burg mit anderen Fürsten zur Vorbereitung eines Feldzuges, durch den die Befreiung seines Vaters Philipp aus der Gefangenschaft Kaiser Karl V. erreicht werden sollte. 1585 wurde Friedewald Oberamt mit dem Unteramt Heringen. Landgraf Wilhelm IV. zeichnet für den im ausgehenden 16. Jahrhundert in der Wasserburg vollzogenen Umbau des Palas verantwortlich.
Bei der Veränderung des großen Rittersaales, der durch ein Renaissanceportal zugänglich ist, wurde auf die Wehrfähigkeit der Anlage keine Rücksicht mehr genommen und fünf großformatige Fenster in die Außenwand gebrochen. Aus der ehemals wehrhaften Anlage war nun endgültig ein Jagdschloss geworden.
Unter Landgraf Moritz dem Gelehrten wurden zu Beginn des 17. Jahrhunderts die ebenfalls unter Wilhelm IV. im Jahre 1580 begonnenen Arbeiten an den Vorburgbauten abgeschlossen.
Der Wirtschaftshof wurde seitdem im Norden vom Vogthaus, im Süden vom Neuen Marstall (heute Museum) und im Westen von der Großen Scheune mit Meierei (Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissen) begrenzt. Die noch heute im Mauerwerk befestigten Halseisen (Pranger) und die Elle deuten darauf hin, dass vor dem Vogthaus Markt abgehalten wurde. Außerhalb des Wirtschaftshofes erbaute man das Senghaus. Die ehemalige Wildküche diente zur Aufbereitung des Wildbrets.
Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Burg mehrmals erobert, diente nach Ausbesserungsarbeiten den Landgrafen aber weiterhin als beliebtes Jagdschloss. Im Siebenjährigen Krieg von 1756 bis 1763 wechselten häufig die Besatzer der Burg: So hielten 1759 Österreicher und nachfolgend Preußen und 1760 und 1762 Franzosen die Anlage besetzt. Während der im Jahre 1762 entbrannten Kämpfe hatten hessische und hannoveranische Einheiten den Auftrag, die Nachschubwege der französischen Truppen, die vorrangig über die Fernhandelsstraßen Hessens liefen, zu stören. Da als Basis für solche Unternehmungen auch die Burg in Friedewald in Betracht kam, besetzte am 27. Juni 1762 Leutnant Heinrich Matthias Steigleder vom hannoveranischen Jägerregiment mit 50 Mann und 10 Reitern die nur einen Tag zuvor von französischen Truppen geräumte Wasserburg.
Die Franzosen unter General Graf Stainville zerstörten die Burg am 7. August 1762 und setzten die Anlage in Brand. Mit der Zerstörung der Burg war auch der Niedergang der Gemeinde Friedewald besiegelt, denn auch die Erneuerung des Marktrechtes durch Landgraf Friedrich 11. im Jahre 1766 brachte keinen Aufschwung mehr. Während in den folgenden Jahrhunderten die Wasserburg in ihrer Verwüstung unberührt blieb und sich zu einer romantisch verwilderten und verwachsenen Ruine wandelte, wurden die den Hof rahmenden Gebäude anderen Nutzungen zugeführt. So befanden sich dort u. a. ab 1769 das Amtslokal des Justizbeamten, ab 1827 die Forstverwaltung, ab 1903 das Amtsgericht und nachfolgend ein Kinderheim sowie Wohnungen für Flüchtlinge. 

 

Bilder: 03/2014
Textquelle: Heimatverein Friedewald e.V. (5.3.2016)

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